Chivalry is not dead

Neulich bin ich auf einem Langstreckenflug endlich dazu gekommen, mir zwei Filme anzusehen, die ich im Kino verpasst hatte, und die schon lange auf meiner (immer länger werdenden Bucket List standen): Mission Impossible – Rogue Nation und Kingsman: The Secret Service. Ersterer war unterhaltsam, aber wenn man als Filmemacher glaubwürdig bleiben möchte, sollte man nicht unbedingt an einer der bekanntesten touristischen Sehenswürdigkeiten von Rabat drehen, und dann im Film behaupten, es handele sich um Casablanca. Noch dazu ohne jede Not. Jeder, der schon einmal das Vergnügen mit beiden Städten hatte, wird mir wahrscheinlich beipflichten, dass Rabat mit weitem Abstand die attraktivere und angenehmere ist – und auch Bösewichte finden bekanntlich Gefallen an den schönen Dingen des Lebens (… ein Glas Pfefferminztee und ein Corne de Gazelle im Café Maure hoch über der Stadtmauer von Rabat, frischer Wind vom Meer, und im Garten dahinter blühende Oleanderbüsche… und ich schweife schon wieder ab…).

Kingsman dagegen ließ dagegen zumindest für mich keine derart gravierenden geographischen Mängel erkennen, war äußert unterhaltsam und ließ mein Fangirl-Herz höher schlagen – ich verstehe jetzt, warum einige meiner liebsten Fanfiction-Autoren und Autorinnen sich von diesem Film in Versuchung haben führen lassen. Es schadet wahrscheinlich nicht, dass ich schon immer einen Faible für Menschen gut sitzenden Anzügen hatte. Auch wer keine sexuelle Anziehung empfindet, kann schließlich einen ausgeprägten Sinn für Ästhetik haben.
Und ganz ehrlich? Gutes Benehmen ist attraktiv. Auch wenn sich die Regeln der Etikette mit der Zeit (und der eigenen Situation) ändern mögen, und neue Technologien, Entwicklungen und Erkenntnisse entsprechende Anpassungen erfordern, Höflichkeit, Rücksichtnahme und Respekt kommen nicht aus der Mode. Insofern würde ich dem Satz „Manners maketh man“ (woman, person) doch zustimmen.

Es gibt dazu eine schöne Szene aus einem anderen Film, Dance! (Take the Lead), in der Antonio Banderas in seiner Rolle als Tanzlehrer Pierre Dulaine für jede Frau, die den Raum betritt, die Türe öffnet und damit einen bleibenden Eindruck hinterlässt. Das ist jetzt vielleicht schon ein wenig übertrieben, und heutzutage wäre es auch durchaus angemessen, bei Bedarf Personen jeglichen Geschlechts die Tür aufzuhalten (auch wenn mich einige meiner männlichen Kollegen deswegen manchmal noch etwas irritiert ansehen). Aber gutes Benehmen kommt gut an und ist die denkbar einfachste und kostengünstigste Methode, andere Menschen für sich einzunehmen. – Umgekehrt ist schlechtes Benehmen natürlich auch eine der einfachsten Methoden, andere gegen sich aufzubringen. Niemand sitzt gerne in der Bahn oder im Flugzeug neben jemandem der lautstark telefoniert, andere an seinem miserablem Musikgeschmack teilhaben lässt, seine stinkigen Käsefüße auf den Sitz oder den Tisch legt, oder sich maßlos ausbreitet, um nur einige der häufigeren Beispiele aus meiner eigenen leidvollen Reiseerfahrung zu nennen (bei den Käsefüßen, die sich von hinten über den Sitz an mich heranrobbten, war dann Schluss, und ich bat die Eigentümerin derselben nachdrücklich darum, alle ihre verstreuten Körperteile bitte für die verbleibende Dauer des Flugs bei sich zu behalten).

Aber Freud und Leid liegen oft nahe beieinander und gute Manieren haben im Übrigen auch nichts mit dem Alter oder der sozialen Schicht zu tun (das wäre dann die andere, weniger berücksichtigte Botschaft von Kingsman). Wenige Tage nach meinem Rückflug war ich unterwegs zu einem dienstlichen Termin. Vor mir lief eine Gruppe junger britischer Soldaten, alle so Anfang zwanzig, offensichtlich bester Laune und ziemlich laut. Sie alberten herum, zogen sich gegenseitig auf, einer fluchte scherzhaft – und stellte beim Abbiegen um eine Kurve und einem Blick über die Schulter fest, dass ich hinter ihm lief, nur um sich prompt zu entschuldigen. „I’m sorry Ma’am.“

Für einen Augenblick sah ich ihn absolut verdutzt an. Es ist mir in meinem Leben bisher nur einige wenige Male passiert, dass sich jemand ernsthaft für die Benutzung von Schimpfwörtern bei mir entschuldigt hat, einfach nur, weil ich sie gehört und daran Anstoß genommen haben könnte (in fast allen Fällen waren die Betreffenden Amerikaner, es gibt da vmtl. auch eine kulturelle Komponente).

„That’s quite alright, don’t worry“, fiel mir dann doch irgendwann ein zu sagen, mit einem immer noch etwas verdatterten Lächeln. Aber, Hand auf Herz? An den Vorfall werde ich mich noch eine Weile erinnern. Und sollte ich dem britischen Soldaten noch einmal über den Weg laufen (was recht unwahrscheinlich ist), hätte er auf jeden Fall einen Stein im Brett.

Übrigens, solltet ihr Lust auf Kingsman-Fanfiction bekommen haben – hier sind meine aktuellen Lieblinge (bitte Ratings und etwaige Warnungen der Autoren beachten, insbesondere, falls ihr nichts mit explizitem sexuellem Inhalt lesen möchtet):
Who He Is
Lagavulin and Guinness
The Forgotten Knight
with your fierce tears
The Silent Horizon
Falls sie euch gefallen, seid so nett und lasst es die Autoren wissen.

Oh, und noch was zu lachen – Honest Trailer für Kingsman und Mission Impossible.

 

Ein Gedanke zu “Chivalry is not dead

  1. Ich denke gerade darüber nach, wie oft ich noch nicht für meine Flüche um Verzeihung gebeten habe. *seufz* Schlechte Angewohnheit, vielleicht, um meinem eher unschuldigen/femininen Äußeren etwas dagegenzusetzen.

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